Freitag, 12. März 2010

Boliviens Silberfluch

In der bolivianischen Stadt Potosí lebt man vom Silber. Das Edelmetall liegt tief im Inneren des Cerro Rico ("Reicher Gipfel") verborgen und wird auch heute noch unter denselben unmenschlichen Arbeitsbedingungen gefördert wie vor 150 Jahren, als Potosí zu den grössten und bedeutendsten Städten der Welt zählte.

Ein paar Stangen Dynamit, ein Beutel voller Kokablätter und Alkohol - das sind die "Gastgeschenke", die man den Minenarbeitern mitbringt, wenn man sich in die über 200 Stollen des ausgehöhlten Bergs wagt.

"Die ältesten Schächte sind bis zu 400 Jahre alt", erklärt und unser Guide José. "Jährlich sterben rund 40 Bergarbeiter durch herabfallende Felsbrocken oder sie stürzen in einen der nicht abgesicherten Tunnel und verletzen sich lebensgefährlich." Arbeitsschutz oder Gewerkschaftsunterstützung sind für die rund 11.000 "mineros" nur leere Worte.

Auch trägt kaum ein Kumpel einen Mundschutz oder entsprechende Schutzkleidung und so sind die Männer, die meist schon mit 13 Jahren ihren lebenslangen Dienst im Stollen antreten, den Gefahren der Mine schutzlos ausgeliefert. Ihr grösster Feind ist das fast unsichtbare Siliziumpulver, das sich bei jeder noch so kleinen Erschütterung in der Luft verteilt und zu Lungenkrebs und einem frühen und qualvollen Tod führt.

Schutz erbitten sich die Männer vom "Onkel" der Mine, einer mannshohen Teufelsfigur, der in regelmässigen Abständen Koka oder Alkohol geopfert werden, um den Geist des Stollens gnädig zu stimmen. Die Luft in den Schächten ist dünn, die Arbeit schwer. "Ein Arbeiter braucht rund fünf Stunden, um ein etwa 10 Zentimeter langes Loch in den Fels zu schlagen, um dort später das Dynamit anzubringen."

José spricht auch ganz offen über die Versäumnisse der Regierung. "Bisher hat sich an den Arbeitsbedingungen der Bergmänner wenig geändert. Der Präsident hat sie vergessen."

Noch ein paar Schritte, Licht, man verlässt den Stollen. Die Luft ist kühl, es riecht nach Staub und Dynamit. Für heute können wir durchatmen, doch für die Männer in der Mine geht die Schicht weiter.

"Der Cerro Rico ist mein Leben. Schon mein Vater und Grossvater haben hier gearbeitet und ich kann mir keinen anderen Job für mich vorstellen", erzählt Matias (21) und nimmt einen kräftigen Schluck aus einer Flasche mit der Aufschrift "96% Alkohol".

"Und wie die meisten von uns habe ich keine andere Wahl."