Montag, 12. Dezember 2011

Relax - Take it easy!

Tiefenentspannung scheint den meisten Asiaten in die Wiege gelegt worden zu sein. Kommen gestresste Europäer nach Thailand, dann heißt es statt Lotus, innerer Mitte und Massage zunächst einmal: Verkehrschaos - Menschenmassen - Reizüberflutung!

Nicht schlimm, denn die nächste Oase der Ruhe ist meist nicht weit. In unserem Fall war das der Bangkoker Massagesalon des Vertrauens. Leider waren die Tage der wohltuenden Fußmassage schnell gezählt, da der Laden aufgrund der steigenden Wassermassen (während der großen Flut) zugemauert und geschlossen werden musste. Die stoische Ruhe der Thailänder beeindruckt mich dennoch tief: Auch als das Wasser des Chao Praya schon knietief in den Straßen steht geht das öffentliche Leben weiter - eben ein paar Sandsackzentimeter weiter oben.

Wir fliehen vor dem nicht enden wollenden Regen sicherheitshalber doch in den Süden, nach Südthailand, Malaysia und Indonesien, und erleben eine große Überraschung: Kaum hat man den Dunstkreis von Phuket, Ko Phi Phi und Ko Pha Ngan hinter sich gelassen entdeckt man traumhaft untouristische und unverdorbene Inseln. Wir folgen dieser Spur und wandeln im Norden Malaysias auf kolonialbritischen Spuren. Als einer der frühesten Stützpunkte in der Straße von Melakka konnte sich das bunte Georgetown über die Jahrhunderte seinen altertümlichen und kulturdurchmischten Charme erhalten und versetzt Besucher in kulinarisches und kulturelles Erstaunen.

Mit einem Sprung auf die nur wenige hundert Kilometer entfernte indonesische Insel Sumatra betritt man dagegen sofort das andere Extrem: Ein Naturparadies, in dem man noch das Gefühl hat ein wenig Pionier sein zu dürfen. Auf dem krisengeschüttelten Eiland taucht man ein in die Welt der Orang Utans und vergessener Naturvölker. Allerdings ist dieses Paradies mehr als bedroht - Schon beim Anflug blickt man über unendliche Palmölfelder, die den nativen Regenwald in rasantem Tempo verdrängen und damit den Lebensraum vieler bedrohter Tierarten massiv zerstören. Es macht einen wütend, wenn man hört, dass beispielsweise Unilever (Rama, Knorr, Dove, Axe...) die Fläche seiner indonesischen Palmölplantagen kontinuierlich ausbaut, und das auf Kosten von Mensch und Tier.

Zurück in Deutschland bleibt trotz aller Entspannung und schönen Eindrücke ein schaler Nachgeschmack, denn leider wurden wir auch mehrfach Zeugen thailändischer Kinderprostitution und der Ausbeutung indonesischer Leiharbeiter.

Dennoch sollte man auf Thailand und Indonesien als Reiseländer nicht verzichten - eine Vielzahl der Menschen dort lebt vom Tourismus. Man sollte nur mit offenen Augen reisen.

Donnerstag, 25. August 2011

Die heilige Chaostheorie

Tausende von Menschen, die sich auf staubigen Wegen und mit Selbstfindungsgedanken durch das heiße Herz Spaniens quälen? Wunder am Wegesrand und eine Muschel, die einem den Weg weist? Bienvenido al Camino de Santiago, dem wohl berühmtesten und beliebtesten Pilgerpfad Europas. Der Kreis der Pilger könnte hier heterogener nicht sein: Burnout-geplagte Manager, rüstige Rentner, Hobbypilger und Abiturienten, die nach der präklausuralen Erleuchtung suchen. Sie sprechen Spanisch, Italienisch, Englisch und Deutsch - der Jakobsweg oder auch Camino Francés ist ein europäischer Weg.

Großen Zuspruch erhält der Pilgerweg besonders in so genannten „heiligen“ Jahren (immer dann, wenn der Tag des heiligen Jakobus auf einen Sonntag fällt, zuletzt 2010) oder in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und ökonomischer Krisen. Unsere Reise beginnt nach dem ersten Drittel des Weges, in Logroño. Dieser Abschnitt, so wird uns gesagt, entscheidet darüber, ob man es bis Santiago de Compostela schafft: Die Abbrecherquote liegt hier bei über 50 Prozent. Frisch ausgeruht und mit leichtem Gepäck starten wir in die spanische Meseta. Im August wird es dort unerträglich heiß und so kämpfen wir mit unserem inneren Schweinehund und knapp über 40 Grad Wandertemperatur.

Vielen Pilgern merkt man die Strapazen des Weges bereits an: Sie können kaum mehr laufen oder sind sonnenverbrannt. Trotz allem bin ich die Einzige, die klagt. Alle anderen beißen tapfer die Zähne zusammen. Das Erreichen des Etappenziels ist schließlich auch eine Frage der Ehre, denn die meisten Pilger laufen in kleinen Gruppen und sichern sich so die Unterstützung einer motivierenden Kontrollinstanz.

Während der Jakobsweg im Mittelalter die Seele des Pilgers direkt an allen Ablassbriefen vorbei sündenfrei in den Himmel bugsieren sollte, steht heute der sportliche und touristische Aspekt im Vordergrund. Da wird abends stolz die traditionelle Pilgerurkunde mit den Etappenstempeln vorgezeigt und verglichen und nicht selten endet der Tag in der lokalen Weinschenke und nicht mit dem obligatorischen Kirchgang. Gerade zur Hauptreisezeit im Juli und August sind die Pilgerherbergen restlos überfüllt und auch der Weg: Wie eine bunte Karawane schleppen sich die Pilger durch die erntereife spanische Landschaft.

Gefunden haben sich auf der Strecke Logroño - Santo Domingo de Calzada die wenigsten, das einzige glückselige Lächeln habe ich auf dem Gesicht eines hartnäckigen bärtigen Dauerpilgers entdeckt, der den Jakobsweg schon seit Jahren auf und ab läuft und mich mit einem fröhlichen „Namaste!“ grüßt. Vielleicht ist aber auch nicht der Weg an sich, sondern die Beharrlichkeit das Ziel?

Mittwoch, 25. Mai 2011

Scholle und Kaviar

Eine schmale Zugtrasse verbindet das ebenso schmale Sylt mit dem norddeutschen Festland. Der so genannte Hindenburgdamm wurde Anfang des 20. Jahrhunderts geschaffen, um dem Tourismus Tür und Tor zu öffnen und kaufkräftige erholungsbedürftige Landratten anzulocken. Dies klappte so gut, dass die Insulaner schon bald über eine zunehmende Verrohung der Sitten klagten und die Zahl unehelicher Kinder rapide zunahm.

Auch heute noch ist der Tourismus die wichtigste Einnahmequelle der nordfriesischen Insel, die gefühlt über mehr Strandkörbe als Einwohner verfügt und eins der ersten deutschen Naturschutzgebiete sein eigen nennt. Ornithologen kommen auf Sylt genauso auf ihre Kosten wie Freikörperkultler und Feinschmecker: Da schwimmt die Scholle nicht nur in Butter- und Safransauce, sondern auch der deutsche Prominente im Geld. Denn wer es schafft ein reetgedecktes Häuschen in guter Lage zu erwerben, der könnte sich über Nachbarn wie Boris Becker oder Dr. Michael Otto, aktuell einer der reichsten Deutschen, freuen. Man bleibt auf Sylt gerne unter sich, auch wenn die Insel bis heute zu den beliebtesten deutschen Reisezielen zählt und sich diese Popularität durchaus im Preisniveau niederschlägt.

Doch das kleine Eiland ist bedroht: Sturmfluten führten in der Vergangenheit immer wieder dazu, dass Inselteile kurzzeitig abgetrennt wurden und die Gefahr eines Inselbruchs bestand. Aus diesem Grund wird bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts versucht, die Gesamtfläche Sylts durch Holzpfähle und Schutzmaßnahmen zu erhalten. Heute wird in regelmäßigen Abständen ein Gemisch aus Kies und Sand vor den Küsten aufgeschüttet, um die Erosion des wertvollen Bodens zu verhindern. Insulaner und Umweltschützer fürchten allerdings, dass es durch die globale Erwärmung in den nächsten Jahren zu einer Häufung starker Sturmfluten kommen könnte, die vorausschauende und umfassende Schutzmaßnahmen unerlässlich macht.

Finanziert werden diese Bemühungen vor allem durch den Tourismus. Sylt ist als größter norddeutscher Insel mit prominenter Bewohnerschaft die mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit sicher.

In diesem Sinne: „… ich will zurück nach Westerland!“.